Auch aus Deutschland kommen inzwischen erlesene Schaumweine. Hergestellt werden sie wie französische Champagner – auch die gleichen Trauben stecken darin. Trotzdem fehlt es dem „Deutschen Winzersekt“ bislang an Glamour. Eine Spurensuche.
Von Maike von Galen
Als Isabel und Tim Weißbach heirateten, gab es auf ihrer Feier ausschließlich Sekt zu trinken – von nachmittags bis nachts. „Wir trinken selbst zu 90 Prozent Prickelndes – deshalb setzen wir alles auf eine Karte“, erzählt Tim Weißbach, Kellermeister der Sektmanufaktur Strauch inm rheinhessischen Osthofen. In fünf Jahren, so das erklärte Ziel, wollen er und seine Frau das elterliche Weingut komplett auf Sekt umgestellt haben, keinen klassischen Wein mehr abfüllen.
Schon jetzt ist ihr Betrieb, in dem die Weißbachs neben der eigenen Sektproduktion auch noch Weine anderer Winzer „versekten“, komplett ausgelastet: „Gerade renommierte Weingüter springen gerade auf den Trend auf und wollen neben ihren Stillweinen auch noch einen Prestige-Sekt mit ins Portfolio aufnehmen“, erzählt Tim Weißbach. Deutscher Winzersekt ist gefragt – auch wenn die französische Konkurrenz aus der Champagne noch immer mehr Glamour mit sich bringt.
Auf der Pariser Weltausstellung vor rund hundert Jahren gab es ihn noch: Den „Deutschen Champagner“. Schaumwein, der in Flaschen vergoren wird und dabei besonders feine Bläschen bildet – seit jeher gilt dieses Getränk als besonders edel, ein Luxusprodukt, dessen Namen sich die Franzosen bereits im Versailler Vertrag sicherten: Im so genannten „Champagnerparagraph“ ist festgeschrieben, dass nur Schaumwein aus der Region Champagne den edlen Namen tragen darf.
Volker Raumland gilt als Schaumwein-Pionier in Deutschland, als der Winzer, der den Champagner nach Rheinhessen brachte. 100.000 Flaschen produziert er jedes Jahr in seinem Weingut in Flörsheim-Dalsheim. In einem ehemaligen Rewe-Supermarkt und einer Postfiliale hat er seine Produktionsstätte mit angeschlossener Vinothek – sowohl seine eigenen Sekte, als auch Sekt für andere Winzer produziert Raumland hier.
Auch wenn auf den Etiketten französische Begriffe wie „Blanc de Noir“ oder „Prestige Brut“ stehen, steht auf der Rückseite: „Deutscher Winzersekt“. „Das ist für uns ein Problem: Damit stehen wir für viele in einer Reihe mit Rotkäppchen oder Fabersekt. Alles, was schäumt, heißt in Deutschland Sekt“, sagt Raumland, „aber unsere Konkurrenz ist nicht Rotkäppchen, sondern Champagner.“
87,5 Prozent aller Schaumweine in Deutschland stammen von großen Sektkellereien wie Rotkäppchen, Freixenet und Faber – nur 3 Prozent des Marktes machen bislang Winzer wie Volker Raumland aus. Anders als die großen Produzenten, deren Sekt in großen Tanks vergoren wird, setzen sie auf traditionelle Flaschengärung: dabei wird ein Grundwein mit Hefe und Zucker versetzt und in Flaschen abgefüllt, wo er für mindestens neun Monate eine zweite Gärung durchläuft: Hierbei wird der Zucker durch die Hefe in Alkohol gewandelt und es entsteht die feine „Perlage“.
Auch Matthieu Kaufmann produziert im pfälzischen Weingut „Reichsrat von Buhl“ Deutschen Winzersekt. Der gebürtige Elsässer war lange Kellermeister in der Champagne, ehe er durch viele Zufälle mit seiner Familie in die Pfalz kam. „Deutschsprechende Kellermeister aus der Champagne gibt es nicht so viele, das hat mich qualifiziert“, sagt Kaufmann augenzwinkernd bei einer Führung durch die Kellergewölbe des Weinguts. Hier lagern die Grundweine in großen Holzfässern, ehe sie für die zweite Gärung in Flaschen gefüllt werden.
Nicht nur die klassischen Champagnerrebsorten Pinot Noir (Spätburgunder), Pinot Meunier (Schwarzriesling) und Chardonnay kommen hier in die Flaschen – auch Rieslingsekt wird immer beliebter: „Als ich in die Pfalz kam hieß es noch, aus Riesling könne man keinen Sekt machen – das Gegenteil ist nun bewiesen“, erzählt Kaufmann stolz. Damit meint er nicht nur sich, sondern auch seine Mitstreiter: „Es bringt nichts, wenn ich als einziger in Deidesheim guten Sekt mache – wir müssen uns zusammentun, wenn wir mehr Aufmerksamkeit bekommen wollen.“
Mit über 4 Litern pro Kopf und Jahr sind die Deutschen Weltmeister im Schaumwein trinken: Über 420 Millionen der weltweit zwei Milliarden erzeugten Flaschen werden in Deutschland geleert. Durchschnittlich zahlen die Deutschen dabei 3,74 Euro pro Flasche.
Eine Flasche Winzersekt von Raumland oder Reichsrat von Buhl bekommt von für diesen Preis nicht: Mit Einstiegspreisen von rund 15 Euro orientieren sie sich nicht nur bei Herstellung und Qualität am französischen Champagner. Um sich damit am Markt durchzusetzen, braucht es noch viel Imagearbeit, glaubt Volker Raumland: „Viele Restaurants haben nach wie vor Champagner und Henkel trocken auf Karte – da besteht noch viel Nachholbedarf.“
Die traditionellen klassischen Flaschengärer haben sich deshalb auch in einem Verband zusammengeschlossen, wollen vor allem am Image des Winzersekts arbeiten. Die Konkurrenz untereinander ist für sie zweitrangig: „Erstmal müssen wir den deutschen Sekt nach vorne bringen, dann können wir uns immer noch die Augen auskratzen“, sagt Tim Weißbach spöttisch: „Wenn wir unseren Marktanteil um ein Prozent erhöhen, sind wir ohnehin alle ausverkauft.“
erschienen am 03.06.2019 in „Neue Westfälische“