Die Gesamtschule Ückendorf hat einen schweren Stand. Schule als Herausforderung – über 90 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund. Das Klima: rau, der Ruf: verbesserungsfähig.
Rahmenbedingungen, die sich manche Pädagogen gar nicht erst antun wollen: Drei Lehrerstellen sind unbesetzt, besonders in den Naturwissenschaften fehlen hier, wie bundesweit, Bewerber. Quereinsteiger sollen jetzt helfen. Einer von ihnen: David P.
Bislang arbeitete der 41-Jährige als Ingenieur in der freien Wirtschaft, nun will er etwas fürs Gemeinwohl tun. Vor der ersten Schulstunde ist der Aushilfslehrer optimistisch: „Ich gehe da ganz unvoreingenommen ran, eigentlich komme ich mit allen Menschen zurecht.“ Die „ZDF.reportage“ begleitet den Einsteiger über mehrere Wochen. Kann ihm gelingen, woran andere gescheitert sind?
Lena ist eine der wenigen Deutschen hier. Die Schule ist für sie fast ein Makel: „Diese Blicke, wenn man erzählt, dass man hierher geht, als wäre man ein schlechter Mensch.“ Auch Lenas Eltern waren wenig begeistert, als sie die Schulzuweisung bekamen, Lenas Vater erinnert sich: „Ich hab‘ ein wenig im Internet gelesen, Kollegen haben mich angesprochen und gesagt ‚Um Gottes Willen‘.“
Der Ruf der Schule ist ein Problem, sagt Schulleiter Achim Elvert und räumt gleichzeitig ein, dass es tatsächlich Schwierigkeiten gibt: „Wir haben hier Schüler, die kriminell sind, die Ladendiebstähle begehen, gewalttätig sind“, sagt Elvert offen. Manche sind nur hier, weil sie hier sein müssen. Andere aber wollen etwas erreichen.
So wie Omar, 18 Jahre alt. Er kam vor vier Jahren als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland. Im Frühjahr will er hier in Ückendorf sein Abitur machen. „Ich habe eine riesige Chance bekommen, die muss ich nutzen“, sagt Omar, der oft bis spät abends lernt. Während viele seine Mitschüler den Unterricht als lästige Pflicht sehen, ist Omar dankbar für die Möglichkeit, zu lernen.
Es sind solche Geschichten, die Achim Elvert immer wieder motivieren. Der Schulleiter ist in der Gegend geboren, immer hiergeblieben. Er hätte es einfacher haben können, als normaler Lehrer an einem „guten“ Gymnasium. Aber die Arbeit an der Gesamtschule Ückendorf bringt für Achim Elvert Erfüllung: „Wenn Sie einem Schüler, der nur eine Hauptschulempfehlung hatte, am Ende ein Abiturzeugnis überreichen, das ist schon ein ganz besonderer Moment.“
Lehrermangel ist ein grundsätzliches Problem, besonders schwierig ist es aber an Brennpunktschulen. „Natürlich gehen viele Lehrer lieber an unkompliziertere Schulen. Da müssen sie weniger arbeiten, fürs gleiche Geld“, klagt die Bildungsforscherin Professor Carolin Rotter von der Universität Duisburg-Essen. Deshalb müsse die Politik die Arbeitsbedingungen an Schulen in sozialen Brennpunkten verbessern.
Auch Neulehrer David P. würde sich über bessere Rahmenbedingungen freuen. Nach drei Monaten an der Schule hat er noch kein Lehrer-Seminar besuchen können. Sein Chef, Direktor Elvert, ist dennoch zufrieden mit dem neuen Kollegen.
Die „ZDF.reportage“ über eine Schule, in der große Chancen und große Probleme eng beieinander sind.